Das orangefarbene Hemd: Die Geschichte von Phyllis Webstad, die den 30. September, den Tag der Wahrheit und Versöhnung, inspirierte
Ein orangefarbenes Hemd, ein Familienerbstück
Phyllis Webstad ist eine Überlebende der Residential Schools und wuchs in der Secwepemc-Gemeinde in British Columbia auf. Als Kind freute sie sich riesig auf den Schulbeginn und blickte voller Hoffnung in die Zukunft. Um diesen Meilenstein zu feiern, schenkte ihr ihre Großmutter ein brandneues orangefarbenes Hemd – ein besonderes und symbolträchtiges Geschenk, das Liebe und die Vorfreude auf eine bessere Zukunft verkörperte. Für das kleine Mädchen war dieses leuchtend orangefarbene Hemd mehr als nur Kleidung; es war ein Symbol des Stolzes.
Als Phyllis mit sechs Jahren in die Internatsschule kam, wurde ihr die harte Realität des Systems schnell bewusst. Ihr geliebtes Hemd wurde ihr ohne Erklärung vom Leib gerissen. Diese brutale Tat war ihr erster Kontakt mit der Welt der Internatsschulen, einer Welt, in der jede Verbindung zu ihrer Kultur und Identität ausgelöscht wurde. Das orangefarbene Hemd, ein Symbol familiärer Liebe, wurde zum Symbol für Verlust, Selbstverleugnung und den Versuch, ihre indigene Identität auszulöschen.
Die Bedeutung des Tages im orangefarbenen Hemd
2013 teilte Phyllis Webstad ihre Geschichte erstmals öffentlich, und sie berührte indigene wie nicht-indigene Menschen zutiefst. Aus dieser persönlichen Geschichte entstand die nationale Initiative „Orange Shirt Day“, der jährlich am 30. September begangen wird. An diesem Tag wird der Kinder gedacht, die Internatsschulen besuchten, und an die anhaltenden Folgen dieses Systems für die Überlebenden, ihre Familien und zukünftige Generationen erinnert.
Der Orange Shirt Day soll auf das Unrecht aufmerksam machen, das indigenen Kindern durch die Residential Schools angetan wurde, und betonen, dass „jedes Kind zählt“. Für indigene Gemeinschaften ist es ein Tag des Gedenkens, der Heilung und der Widerstandsfähigkeit. Das Tragen eines orangefarbenen Hemdes ist ein Akt der Solidarität, eine Anerkennung des Leids der Kinder, die gezwungen wurden, ihre Kultur und Sprache aufzugeben, und ein Bekenntnis zu einer Zukunft, in der dies nie wieder geschieht.

Resilienz und Wahrheit
Die Geschichte von Phyllis Webstad verdeutlicht die Widerstandsfähigkeit der indigenen Bevölkerung angesichts der kanadischen Kolonialpolitik. Die Entfernung ihres orangefarbenen Hemdes war ein Versuch, ihre Identität auszulöschen, doch heute ist dieses Kleidungsstück zu einem kraftvollen Symbol des kulturellen Widerstands und des Engagements für Wahrheit und Versöhnung geworden. Ihre Geschichte hat dem Leid der Kinder in den Residential Schools ein menschliches Gesicht gegeben, wichtige Gespräche über die Vergangenheit angestoßen und konkrete Maßnahmen zur Wiedergutmachung des Unrechts gefördert.
Mit ihrem Zeugnis inspiriert Phyllis Webstad heutige und zukünftige Generationen, die Geschichte der Residential Schools nicht zu vergessen und weiterhin für Respekt, Anerkennung und Würde der indigenen Völker zu kämpfen. Ihr orangefarbenes Hemd, einst ein Symbol des Verlustes, ist zu einem Sinnbild der Hoffnung, einem Aufruf zum Handeln und einer Mahnung geworden, dass jedes Kind es verdient, in einem liebevollen Umfeld aufzuwachsen, in dem seine Kultur geachtet wird.
Quellen und Referenzen:
• Aussage von Phyllis Webstad, Orange Shirt Society.
• Regierung von Kanada, „Orange Shirt Day“.
• CBC News, „Phyllis Webstad über die Geschichte hinter dem Orange Shirt Day“.